HEILIGER und HOHER FREITAG

Heiliges Kreuz  / Ikone von Nikolai SCHELECHOW

Heute haengt am Kreuz,       der die Erde im All schweben laesst.
Mit einem Kranz aus Dornen wird umwunden       der Koenig der Engel.
Zum Spott wird mit Purpur umhuellt,    der die Himmel umkleidet mit Wolken.
Schlaege erhaelt,       der im Jordan den Adam befreite.
Mit Naegeln wird angeheftet        der Braeutigam der Kirche.
Mit einer Lanze wird durchbohrt       der Sohn der Jungfrau.

Wir verehren Deine Leiden, o Christus.
Wir verehren Deine Leiden, o Christus.
Wir verehren Deine Leiden, o Christus.
 
Zeige uns auch Deine herrliche Auferstehung !


Der Hohe Freitag wird in der Orthodoxie ohne eucharistische Liturgie begangen.
Schon am Vorabend werden die 12 Leidensevangelien gelesen. Feierliches Stundengebet (Königsstunden) und Gebetsgottesdienste mit Psalmengesang, Lesungen aus dem Alten und Neuen Testament wie Seligpreisungen fuehren bis zu den Vorbereitungsgebetsgottesdienst vor der Auferstehungsfeier in der Pas´cha-Nacht vom Hohen Samstag zum Ostertag.

Zu unserem Heil weist uns die Orthodoxie auch durch den schraegen, unteren Balken des orthodoxen Kreuzes auf die Barmherzigkeit Gottes hin, die auch einem Raeuber noch in letzter Stunde zu heilsbringender Reue bringt.
Im selben Gottesdienst wie die Leidensevangelien wird auch das Heilige Kreuz verehrt.
In der Vesper findet die feierliche Grablegung in der Mitte des Kirchenschiffes statt.

Wir erleben die Gegenwaertigsetzung des Geschehens des Heiligen und Hohen Ruesttags, des heiligen und heilbringenden und entsetzlichen Leidens unseres Herrn und Gottes und Erloesers Jesus Christus, das Er um unseretwillen freiwillig auf Sich nahm: das Anspeien, die Stockschlaege, die Misshandlungen, die Beleidigungen, den Spott, den Purpurmantel, das Rohr, den Schwamm, den Essig, die Naegel, den Speer und vor allem das Kreuz und den Tod.
Das alles geschah am Ruesttag - aber auch die Zusage des Heils am Kreuz an den einsichtigen Raeuber, der mit Ihm gekreuzigt wurde.

12 Leidensevangelien
Joh 13:31 - 18:1,  Joh 18: 1 – 28,  Mt 26: 57 – 75,  Joh 18:28 - 19:16,  Mt 27: 3 - 32
Mk 15: 16 – 32,  Mt 27: 33 – 54,  Lk 23: 32 – 49,  Joh 19: 25 – 37,  Mk 15: 43 - 47
Joh 19: 38 – 42,  Mt 27: 62 - 66

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Ein kleines Wort hat der Raeuber am Kreuze gesprochen,
er fand seinen grossen Glauben:
und in einem Augenblick ward er errettet,
und als erster oeffnete er des Paradieses Pforte und trat hinein.
Der Du seine Reue annahmst,
Herr, Ehre sei Dir !

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Du hast, Herr, den Raeuber als Weggenossen genommen,
der blutbefleckte Haende hatte,
zu ihm geselle auch uns !
Denn Du bist der Guetige und der Menschenliebende.

Gekreuzigt wardst Du meinetwegen,
um mir die Vergebung zufließen zu lassen.
Durchbohrt wurdest Du an der Seite,
um mir Ströme des Lebens sprudeln zu lassen.
Mit Nägeln wurdest Du angeheftet,
damit ich bei der Tiefe Deiner Leiden der Höhe Deiner Macht vertraue und zu Dir schreie:
Lebensspender, Christus,
Ehre Deinem Kreuz und, Retter, Deinem Leiden!


- 1. Stunde -
Zach 11: 10-13
Gal 6: 14-18
Mt 27: 1-56

- 3. Stunde -
Jes 50: 4-11
Roem 5: 6-11
Mk 15: 16-41

- 6. Stunde -
Jes 52:13 - 54:1
Hebr 2: 11-18
Lk 23: 32-49

- 9. Stunde -
Jer 11: 18-23; 12: 1-5, 9-11, 14-15
Hebr 10: 19-31
Joh 18:28 - 19:37

- Abendgottesdienst -
Ex 33: 11-23
Hiob 42: 12-16
Jes 52:13 - 54:1

1 Kor 1:18 - 2:2
Mt 27: 1 - 38
Lk 23: 39 - 43
Mt 27: 39 - 54
Joh 19: 31 - 37
Mt 27: 55 - 61



Den Gesetzlosen, die Dich gefangen nahmen,
riefst Du geduldig also zu, Herr:
“Wenn ihr auch den Hirten geschlagen und die 12 Schafe, Meine Juenger zerstreut habt,
so koennte Ich mehr als 12 Legionen Engel herbeifuehren;
aber ich bin langmuetig,
damit das Verborgene und das Geheime erfuellt werden,
das ich euch durch Meine Propheten offenbart habe.“
Herr, Ehre sei Dir !

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Heute hat Sein Volk den Herrn ans Kreuz geschlagen,
Ihn, Der das Meer mit dem Stabe geteilt und sie durch die Wueste gefuehrt hatte.
Heute haben sie mit der Lanze durchbohrt die Seite Dessen, Der ihretwegen Aegypten mit Plagen gegeisselt hat;
Galle haben sie zum Trank Dem gegeben, Der ihnen das Manna zur Nahrung regnen liess.

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Dies spricht der Herr zu Seinem Volk:
“Mein Volk, was habe Ich dir getan ?
Oder wodurch habe Ich dich gekraenkt ?
Deinen Blinden schenke Ich das Licht,
deine Aussaetzigen machte Ich rein.
Den Mann auf dem Bette habe ich aufgerichtet !
Mein Volk, was habe Ich dir getan ?
Und wie vergaltest du es Mir ?
Fuer das Manna gabst du Mir Galle,
fuer das Wasser in der Wueste - Essig am Kreuz;
anstatt Mich zu lieben, habt ihr Mich ans Kreuz genagelt.
Laenger ertrage Ich es nicht mehr:
Rufen will ich Meine Voelker,
und jene werden Mich preisen mit dem Vater und dem Geiste,
und Ich werde ihnen das ewige Leben schenken.“

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Du hast, Herr, den Raeuber als Weggenossen genommen,
der blutbefleckte Haende hatte,
zu ihm geselle auch uns !
Denn Du bist der Guetige und der Menschenliebende.

+++
Ein kleines Wort hat der Raeuber am Kreuze gesprochen,
er fand seinen grossen Glauben:
in einem Augenblick ward er errettet,
und als erster oeffnete er des Paradieses Pforte und trat hinein.

Der Du seine Reue annahmst,
Herr, Ehre sei Dir !

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Durch einen Baum ward Adam aus dem Paradiese verbannt.
Durch den Kreuzesbaum ging der Raeuber in das Paradies.
Denn der eine - Adam - hat durch die Frucht des Apfelbaums gegen das Gebot des Schoepfers verstossen,
der andere - der Raeuber - wurde mitgekreuzigt und bekannte Dich als den verborgenen Gott.
Gedenke auch unser, o Gott, in Deinem Reiche.

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Du wurdest um meinetwillen gekreuzigt,
um mir die Vergebung quellen zu lassen.
Deine Seite wurde durchbohrt,
damit Du mir Stroeme des Lebens sprudeln laesst.
Mit Naegeln wurdest Du angeheftet,
damit ich durch die Tiefe Deiner Leiden auf die Groesse Deiner Macht vertraue
und zu Dir rufe:
Lebensspender, Christus,
Ehre sei Deinem Kreuze, o Erloeser, und Deinem Leiden.

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Du hast uns losgekauft vom Fluch des Gesetzes
durch Dein kostbares Blut.
An das Kreuz genagelt und von der Lanze durchbohrt,
liessest Du den Menschen die Unsterblichkeit hervorquellen.
Unser Erloeser, Ehre sei Dir !

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Als Du, Christus, gekreuzigt wurdest,
ward die Gewaltherrschaft des Todes zerstoert
und die Macht des Feindes ueberwunden.
Denn weder ein Engel noch ein Mensch,
sondern Du Selbst hast uns erloest,
Herr, Ehre sei Dir !

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Inmitten der Erde hast Du die Erloesung erwirkt,
Christus, Gott.
Auf das Kreuz hast Du Deine allreinen Haende ausgebreitet,
indem Du alle Voelker versammelst, die da rufen:
Ehre sei Dir !

 

Gekreuzigt wardst Du meinetwegen,
um mir die Vergebung zufließen zu lassen.
Durchbohrt wurdest Du an der Seite,
um mir Ströme des Lebens sprudeln zu lassen.
Mit Nägeln wurdest Du angeheftet,
damit ich bei der Tiefe Deiner Leiden der Höhe Deiner Macht vertraue und zu Dir schreie:

Lebensspender, Christus,
Ehre Deinem Kreuz und, Retter, Deinem Leiden!

 

 


Die Gottesmutter und das Kreuz
aus dem Buch von Heiser, Lothar, "Maria in der Christus-Verkündigung des orthodoxen Kirchenjahres",
Tyciak, Julius † und Nyssen, Wilhelm † (Hsgb.)

Von den vielen Aspekten des Kreuzesmysteriums, die in den liturgischen Feiern am Karfreitag und Karsamstag von den Gemeinden singend meditiert werden, sollen in den beiden folgenden Abschnitten nur zwei Erwähnung finden: Das Stehen und Ausharren Marias unter dem Kreuz und die Marienklage.

Der Knoten des Ungehorsams der Eva fand seine Lösung durch den Gehorsam Marias. Was nämlich die Jungfrau Eva durch ihren Unglauben verworren hatte, das löste die Jungfrau Maria durch ihren Glauben. . . . War jene Gott ungehorsam, so gehorchte diese willig Gott, damit die Jungfrau Maria zur Fürsprecherin wurde für die Jungfrau Eva. Und wie das Menschengeschlecht durch eine Jungfrau in den Tod verstrickt worden ist, so wird es auch gerettet durch eine Jungfrau. Gleichmäßig wie auf einer Waage wurde der Ungehorsam der Jungfrau aufgewogen durch den Gehorsam der Jungfrau. Ferner wurde ja die Sünde des Erstgeschaffenen durch die Züchtigung des Erstgeborenen wiedergutgemacht und die List der Schlange besiegt durch die Einfalt der Taube. Aber auch jene Fesseln wurden gelöst, mit denen wir an den Tod verstrickt waren.
(Irenäus von Lyon, Widerlegung der Häresien, III, 22,4V,19,1)

In ihrem Glauben und in ihrem Gehorsam assistiert Maria, die neue Eva, dem neuen Adam, dem »Erstgeborenen der ganzen Schöpfung« (Kol 1,15), wenn er diese in seiner Ganzhingabe erneuert. Als Eva, die »Mutter des Lebens«, durch ihren Ungehorsam Adam, den Erstgeschaffenen, zum Nein gegen Gott aufstachelte, verstrickten sie ihre Kinder mit in den Tod der Gottferne. Wenn »der Erstgeborene aus den Toten« (Kol 1,18) sich anschickt, die Macht des Todes durch seinen Tod zu vernichten, steht die neue Eva in Glauben und Gehorsam ihm zur Seite, und er bestellt sie zur Mutter der Erlösten: »Frau, dies ist dein Sohn.... Dies ist deine Mutter« (Joh 19,26 f.).

Eva hatte den Fall Adams und der Menschheit mitverschuldet; Gott will die Erhebung der Menschheit durch den zweiten Adam nicht ohne deren Mitwirkung verwirklichen. Maria ist die Repräsentantin der Menschheit, die als »heiliger Same« aus dem verbliebenen Stumpf (Jes 6,13) ihr Ja zu Gott in die Totalhingabe Jesu an den Vater mit einfließen lässt. So wird sie die neue Mutter des Lebens und die Mutter der Jüngerschaft, die in Johannes unter dem Kreuz versammelt ist und das Kreuz aushält. (Die orthodoxe Kirche, die die von Augustinus geprägte Erbsündenlehre nicht übernommen hat, sieht in diesem Durchhalten das freie Mitwirken des Geschöpfes an der Erlösungstat seines Schöpfers.) In Maria steht die Jungfrau und Mutter Kirche unter dem Kreuz, und in Johannes sind die Söhne und Töchter dieser Kirche versinnbildet, als deren Bräutigam Christus sein Leben hingibt.

In seiner Kreuzesstunde formt sich Christus die neue Eva, die Kirche. Wie aus des ersten Adam Seite Eva gebildet wurde, so fließt aus der geöffneten Seite Christi jene Kraft, die die alte Menschheit reinigt in der Taufe und sie als erneuertes Volk Gottes nährt mit der Eucharistie. Vom Kreuz herab verströmt sich das Leben Christi aus seiner Herzenswunde auf das abgestorbene Leben der Menschheit und erfüllt sie mit göttlichem und unzerstörbaren Leben. Den Wein, den »der wahre Weinstock« (Joh 1,51) symbolhaft bei der Hochzeit zu Kana ausschenkte, wird hier »zum Wein des Heiles«, in der Eucharistie stets aufs Neue gereicht.

Die Kirche selbst sendet ihre heiligste Vertreterin und ihr würdigstes Glied unter das Kreuz Christi, damit sie sein Erbarmen für seine sündigen Jünger, ihre Kinder, erflehe und die Gaben der Erlösung, die er der Kirche aus seiner Seite zufließen lässt, entgegennehme.

Da wir unserer vielen Sünden wegen keine Zuversicht haben,
so flehe du, Gottesgebärerin und Jungfrau, zu Dem, Der aus dir geboren wurde.
Denn viel erreicht die Fürbitte der Mutter bei dem Wohlwollen des Gebieters.
Verachte nicht der Sünder Flehen, Allverehrte,
da doch erbarmensreich und voller Macht zu retten Der ist,
Der es auf sich nahm, für uns zu leiden.
(Theotokion der 8. Antiphon am Karfreitagmorgen)

Gekreuzigt wardst Du meinetwegen,
um mir die Vergebung zufließen zu lassen.
Durchbohrt wurdest Du an der Seite,
um mir Ströme des Lebens sprudeln zu lassen.
Mit Nägeln wurdest Du angeheftet,
damit ich bei der Tiefe Deiner Leiden der Höhe Deiner Macht vertraue und zu Dir schreie:
Lebensspender, Christus,
Ehre Deinem Kreuz und, Retter, Deinem Leiden!

Deine Mutter,
Christus,
die im Fleisch ohne Samen Dich gebar,
die Jungfrau in Wahrheit ist und auch nach der Geburt unversehrt blieb,
sie stellen wir als Fürsprecherin vor Dich hin,
Gebieter, Erbarmungsreicher,
der Verfehlungen Vergebung stets denen zu gewähren,
die zu Dir schreien:
Gedenke unser, Retter, in Deinem Reiche!
(Stichera zu den Seligpreisungen am Karfreitagmorgen)

Diese in Hymnen vorgetragenen Gedanken haben auch den Schöpfer des Kreuzigungsbildes inspiriert. Das Sterben Christi wird in seinem kosmischen und ekklesiologischen Bezug gesehen. Die Kirche des Himmels und der Erde hat sich in ihren Vertretern um ihren sterbenden Herrn versammelt. In Entsetzen und Trauer vor dem Mysterium, dass der Schöpfer der Welt von seinen Geschöpfen durch die Hinrichtung am Kreuz vernichtet werden soll, verhüllen die Engel ihr Angesicht. Ratlosigkeit hat den Jünger erfasst, der sein Haupt mit der Hand stützt, aber in Treue unter dem Kreuz durchhält. Fragend und wie in stummer Zwiesprache schaut Maria ins sterbende Antlitz ihres Sohnes; aus seiner geöffneten Seite lässt er ihr die beiden Ströme von Wasser und Blut entgegenquellen, damit sie sie als Kirche in dem reinigenden und erneuernden Sakrament der Taufe und im nährenden und erhaltenden Sakrament der Eucharistie weiterfließen lasse an alle, für die er sich in seiner Liebe verschenkt hat. »Es gibt keine größere Liebe als die, wenn einer sein Leben gibt für seine Freunde« (Joh 15,13).

Heiser, Lothar, Maria in der Christus-Verkündigung des orthodoxen Kirchenjahres, Tyciak † und Nyssen † (Herausg.), Sophia, Quellen östlicher Theologie, Bd. 20, Trier 1981, S. 271 hier aus St.Andreas Bote